Möchte der Mieter sich dagegen zur Wehr setzen, verfügt er über ein probates Druckmittel, indem er von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht. Dabei bezieht sich das Zurückbehaltungsrecht nicht nur auf etwaige Nachforderungen des Vermieters, sondern auch die Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen.
Um das Zurückbehaltungsrecht des Mieters geht es in diesem Artikel.
Zurückbehaltungsrecht wegen formell fehlerhafter oder fehlender Betriebskostenabrechnung
Häufig kommt es vor, dass nur eine formell fehlerhafte oder erst gar keine Betriebskostenabrechnung erstellt wird. Formelle Fehler weist die Abrechnung auf, wenn eine der nachstehenden Mindestangaben fehlt:
- Adressat der Betriebskostenabrechnung (bei Eheleuten genügt es, wenn die Abrechnung an einen adressiert ist), Abrechnungsobjekt sowie Abrechnungszeitraum
- Zusammenstellung der Gesamtkosten
- Darstellung und Erläuterung der zugrunde gelegten Umlageschlüssel und
- Berechnung des Mieteranteils (auch jeweils bei den einzelnen Kostenpositionen)
Darüber hinaus ist die Betriebskostenabrechnung formell fehlerhaft, wenn ein durchschnittlich gebildeter, juristisch und betriebswirtschaftlich ungeschulter Mieter die Abrechnung aufgrund deren ungeordneten Darstellung gedanklich und rechnerisch nicht nachvollziehen kann. Dazu gehören grundsätzlich auch die einzelnen Rechenschritte.
Ist die Betriebskostenabrechnung danach mit formellen Fehlern behaftet, ist eine etwaige Nachzahlung bis zum Erhalt einer ordnungsgemäßen Abrechnung nicht fällig, die der Vermieter neu zu erstellen hat. Der Mieter kann die Nachzahlung also nach § 273 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurückbehalten. Daneben steht dem Mieter während des laufenden Mietverhältnisses bis zum Erhalt der Abrechnung an den künftigen, in der Regel erhöhten Betriebskostenvorauszahlungen ebenfalls ein Zurückbehaltungsrecht zu. Das Zurückbehaltungsrecht erstreckt sich aber nicht auf die Kaltmiete. Dies gilt ebenso, wenn der Vermieter erst gar keine Betriebskostenabrechnung erstellt hat (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 29.03.2006, Az.: VIII ZR 191/05).
Anders ist es, wenn der Mieter bereits ausgezogen ist. Hier kann er wegen des Auszugs von seinem Zurückbehaltungsrecht keinen Gebrauch mehr machen. Daher hat er die Möglichkeit, bei einer formell fehlerhaften oder fehlenden Betriebskostenabrechnung die von ihm gezahlten Betriebskostenvorauszahlungen komplett zurückzufordern (BGH, Urteil vom 09.03.2005, Az.: VIII ZR 57/04). Diese Rückforderungsmöglichkeit besteht aber nur, wenn der Mieter die laufenden Vorauszahlungen nicht einbehalten konnte (BGH, Urteil vom 26.09.2012, Az: VIII ZR 315/11).
Zurückbehaltungsrecht wegen fehlender Belegprüfung
Um die Unterlagen der Betriebskostenabrechnung zu prüfen, ist der Mieter berechtigt, die originalen Belege und Rechnungen beim Vermieter bzw. Hausverwalter einzusehen (sogenannte Belegprüfung). Die Zusendung von Kopien gegen Kostenerstattung kann der Mieter dagegen nur ausnahmsweise verlangen, etwa wenn er inzwischen weit weggezogen ist oder der Vermieter weiter entfernt wohnt (BGH, Urteile vom 19.01.2010, Az.: VIII ZR 83/09, vom 08.03.2006, Az.: VIII 78/05).
Werden dem Mieter die Belege nicht oder nicht vollständig zur Einsichtnahme oder in Kopie überlassen, hat er ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB an der etwaigen Nachforderung und den künftigen Betriebskostenvorauszahlungen. Dies gilt ebenso, wenn eine Zusendung der Kopien von unverhältnismäßig hohen Kosten abhängig gemacht wird (üblich sind zwischen 25 und 50 Cent pro Kopie). Hat jedoch der Mieter das Angebot des Vermieters auf Übersendung der Belege in Kopie gegen angemessene Kostenerstattung nicht wahrgenommen, wird die Einsichtnahme des Mieters in die Belege unterstellt.
Zurückbehaltungsrecht wegen materiell fehlerhafter Betriebskostenabrechnung
Ist die Betriebkostenabrechnung inhaltlich falsch (etwa falsche Wohnungsgröße oder Rechenfehler) – was sich meist erst nach der Belegprüfung herausstellt – kann der Mieter auch hier die Zahlung der erhöhten Betriebskostenvorauszahlungen verweigern bzw. diese zurückbehalten (BGH, Urteile vom 15.02.2012, Az.: VIII ZR 245/11 und VIII ZR 246/11). Hier muss der Vermieter die Fehler korrigieren. Da der BGH mit diesen Entscheidungen seine zuvor anderslautende Rechtsprechung aufgegeben hat, müsste der Mieter auch eine etwaige Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung bis zum Erhalt einer inhaltlich korrigierten bzw. korrekten Abrechnung zurückbehalten dürfen – soweit es sich nicht um kleinere, leicht erkennbare Fehler handelt.
Das sind die Folgen des Zurückbehaltungsrechts
Der Mieter muss Einwendungen bzw. einen Widerspruch gegen materielle Fehler in der Betriebskostenabrechnung innerhalb von 12 Monaten nach Erhalt der Abrechnung erheben. Erfolgt dies nicht, ist er mit seinen Einwendungen ausgeschlossen, § 556 Abs. 3 Satz 6 BGB. In diesem Fall entfällt das Zurückbehaltungsbehaltungsrecht. Zudem darf der Mieter hier sein Zurückbehaltungsbehaltungsrecht nur in angemessener Höhe ausüben, also maximal bis zum doppelten Betrag der streitigen Kostenpositionen.
Für den Mieter ist ein Irrtum speziell über materielle Fehler in der Betriebskostenabrechnung besonders gefährlich. Denn ihm kann
- fristlos gekündigt werden, falls er von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht und die einbehaltenen Beträge einen Rückstand von insgesamt zwei Monatsmieten aufweisen
- ordentlich gekündigt werden, falls er von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht und die einbehaltenen Beträge einen Rückstand von einer Monatsmiete betragen
Hallo,
nach meinem bisherigen Kenntnistand muss man als Mieter eine Nachforderung für eine inhaltliche falsche, aber formell gültige Abrechnung trotzdem bezahlen. (Man gerät nach spätestens 30 Tagen nach Erhalt der Nachforderung in Verzug)
Ist das heute (2016) immernoch so? Angenommen es liegt ein schwerwiegender inhaltlicher Mangel vor (Beispiel Forderung Grundsteuer 10000€). Aus ihrem Artikel lese ich heraus, das man dann als Mieter eine Nachforderung bis zum Erhalt einer inhaltlich korrekten Abrechnung zurückhalten könne.
Ist das rechtens?